Am nächsten Tag machen wir eine Zeitreise. Das aktuelle Mérida ist etwas nichtssagend, die Architektur langweilig. Doch gibt es überall in der Stadt Orte, an denen man die Jahrhunderte wechselt und wie von Zauberhand in einer anderen Welt steht. Wie aus dem Nichts tauchen zwischen Betonfassaden alte Tempel und antike Säulen auf. Wunderschön der Tempel der Diana, zwischen dessen Mauern in der Renaissance ein Wohnhaus gebaut wurde – auch eine Form des Recycling – oder Reste eines Forums.
Historische Reste hier, alte Mauern dort – manchmal kann ich mir gut vorstellen, wie das Leben vor 2.000 Jahren einmal war. Kaiser Augustus hatte die Stadt gegründet, es war die wichtigste Kolonie der staatliche Vertretung Roms in Hispanien. Ich sehe Menschen in Togen und Tuniken vor mir, lebendiges Markttreiben, kreischende Kinder und lachende Frauen, doch manchmal braucht es doch etwas mehr Fantasie, wenn die Reste zu rudimentär sind.
Gar nicht rudimentär sind die Reste des Amphitheaters und des Theaters. Vor allem das Theater beeindruckt mich. Steil aufsteigende Ränge vor einer Bühne mit Säulen im Hintergrund, geschmückt mit Figuren. In der Mitte steht Ceres, eigentlich die Göttin der Fruchtbarkeit, aber so ein bisschen Kreativität hatte sie in ihrem Füllhorn wohl auch für die Schauspieler übrig. Die Statue selbst, wie alle Figuren an den alten Überresten Méridas, sind nur Kopien. Die Originale stehen im Museo Nacional de Arte Romano, einem beeindruckenden Neubau unweit der beiden Theatern. Das Museum ist aus Ziegeln gebaut, luftig und weiträumig und der perfekte Rahmen für die Überreste der untergegangenen Kolonie.